:: torture 2.0 ::

Es soll Menschen geben, die noch immer denken, die Grünen wären keine abgrundtief verkommene Partei. Vielleicht hilft hier die 'Neujahrsansprache 2.0' von Marie Ringler, Landtagsabgeordnete der Wiener Grünen:



Abschreckend in Form und Inhalt.

Anmerkung 1: Seit wann, Marie, wenn ich dich so nennen darf, umfasst das Prekariat wohlig bezahlte Landtagsabgeordnete? It's all just definition.

Anmerkung 2: Es scheint ratsam, sich als PolitikerIn nur dann webcam-technisch in Szene zu setzen, wenn davon auszugehen ist, dass das Endprodukt nicht Gefahr läuft mit dem bemühten 'vote for me! SchülerInnenparlament 2007'-Wettbewerbsbeitrag (3. Platz) der Projektwoche 'westliche Demokratie und Partizipation' (7B) verwechselt zu werden.
zig - 19. Apr, 16:23

hold on to my seat...

danke für diesen beitrag. also mir sind danach die dinosaurier, so verkommen DIESE auch sein mögen, zehnmal lieber als die grünen amöben. mich schüttelt es! brrrrr!

shlomo (Gast) - 20. Apr, 01:03

Eine schöne Inszenierung der Generation Praktikum. Vollkommen inhaltslos und trashig in Szene gesetzt. Das muss wohl Understatement sein.

tanja jenni - 21. Apr, 19:42

Irgendwie hab ich das Gefühl, dass Marie die nötige Kapazität zur Selbstironie fehlt – der Glaube an die Understatement-Variante erfordert soooviel Vertrauen ;)
ritchie (Gast) - 21. Apr, 21:38

Also die Kritik an der Form kann ich nicht nachvollziehen... wollt ihr lieber Hochglanz ÖVP-Bauernidyllen Spots? Für Viralvideos ist das eine sehr angemessene Form... und das, was sie da erzählt, ist durchwegs richtig. Der Vorwurf, dass Politiker nicht über Arbeitslosigkeit reden sollten, weil sie ja selbst nicht arbeitslos sind, ist im übrigen mehr als absurd. Andererseits verliert die Politik im immer ungebremsteren Kapitalismus, der längst keine soziale Marktwirtschaft mehr ist, ohnehin ihr Regelungsprimat - das haben die Grünen nicht verstanden und trauern partizipativen Strukturen nach, die keineswegs im Interesse der Wirtschaft liegen.

tanja jenni - 21. Apr, 23:35

In einem System, in dem mehr Elemente existieren, als A und B ist die Ablehnung von A nicht gleichbedeutend mit der Unterstützung von B. Das vermeintlich 'kleinere Übel' dem größeren vorzuziehen kann nur in einem permanenten Rückzugsgefecht enden, in dem gesellschaftliche Veränderungen überhaupt nicht mehr möglich erscheinen.

Niemand hat behauptet, PolitikerInnen müssten soziales Leid am eigenen Leibe erfahren haben, um in diesem Bereich Stellung beziehen. Natürlich ist das absurd. Aber Marie inkludiert sich in ihrem Video ganz explizit in die neue Generation Praktikum/prekäre Arbeitsverhältnisse und ich bezweifle stark, dass Landtagsabgeordnete auf Werkvertragsbasis agieren. So gesehen ist vor allem die Strategie Maries zu hinterfragen, die meint, sie müsse sich als einer Gruppe zugehörig ausweisen, nur um für sie (mit ihr?) Politik machen zu können.

Ich bin der Meinung, dass das Handlungsfeld der Politik schon immer ein sehr beschränktes, nicht zuletzt durch ökonomische Interessen bedingtes – war. Und daran schließt der primäre inhaltliche Kritikpunkt an der 'Neujahrsansprache 2.0' an: emphatische Worthülsen über Partizipation machen noch kein Politikkonzept. Wer hat Interesse daran, die Partizipation von welchen gesellschaftlichen Gruppen auf einer symbolischen Ebene zu halten? Welche Gegenstrategien gibt es? Was sind die Ziele meiner Partizipationswunschvorstellung?
Hier werden nicht einmal Fragen gestellt.

Die Unerträglichkeit der Ansprache besteht – abgesehen von der lächerlichen (und dadurch vielleicht wirklich schon wieder subversiven) Ausführung – in ihrem klischeetriefenden Phrasengedresche:

“[Die Dinosaurier] haben die Zukunft all jener, die jünger als sie sind vergessen?“ Das bezweifle ich stark. 'Die Dinosaurier' haben eine ganz konkrete Vorstellung von der Zukunft (und Gegenwart) einer gewissen nicht zu kleinen Gruppe von Menschen, die gezwungen ist, sich unter ungesicherten Arbeitsbedingungen am Markt anzubieten.

“Es geht nicht mal nur um die Jobs, sondern und den Zugang zu etwas ganz wertvollen, nämlich (in?) unserer Gesellschaft mittun zu können, mitdabei sein zu können.“
huh? Ohne eine soziologische Ausbildung genossen zu haben, würde ich mal sagen: JEDE/R tut in unserer Gesellschaft mit. Das ist die Definition von Gesellschaft. Die Frage ist, mit welchem realen und symbolischen Kapital die einzelnen Mitglieder der Gesellschaft ausgestattet sind, um den Zustand des Gesellschaftssystems in ihrem Interesse zu verändern/bzw. zu perpetuieren.

“... es geht nicht mal nur um die wi-fi-internetportale überall“ in der Intonation verwechselbar mit “es geht nicht mal nur um ein sozial gerechtes Gesundheitssystem“. brrr.

“... es geht nicht nur darum, Musikdownloads zu entkriminalisieren und damit wenn man so will symbolisch ein ganz zentrales Feld dieser Generation, dieser neuen Generation von Politik 2.0 auch mitzubedenken.“
Ich finde es bezeichnend, dass weitgehend im Dunkeln bleibt, was sich Marie unter Partizipation vorstellt (politik-blogs?) ganz zu schweigen von ihren politischen Vorstellungen bezüglich der 'Generation Praktikum' und damit als einzige konkret ausformulierte - und mit einem “nicht nur“ versehene - Forderungen die Entkriminalisierung von Musikdownloads, gratis wi-fi-hotspots und Laptops in der Schule übrig bleiben. Das ist ohne Zweifel alles ganz löblich, aber dann doch bloß Oberflächenkosmetik.
Politik 2.0 als offensichtlich konzeptfreies und nur in seiner Ideologielosigkeit ideologisches Herumgerede scheint mir eher eine beängstigende Drohung zu sein, denn eine Vision.

Jetzt hab ich mir Marie noch 2x anhören müssen (2x zu viel) und ich wollte doch nur harmlosen Spott treiben über ihren salbungsvoll-unprofessionellen Auftritt.
Karma's a bitch.
C.C. Fliege (Gast) - 22. Apr, 11:13

macacos me mordam

"abgrundtief verkommen" sind nach meinem dafürhalten parteien, die ein fremdenrecht wie unseres beschliessen und guten gewissens damit leben können.

das ringler'sche trendy webcamvid ist wohl verzichtbar, die darin enthaltenen gemeinplätze unterscheiden sich nicht vom gesülz der politischen mitbewerber - aber irgendwo auf dem weg verliert die kritik in ihrer heftigkeit ein bisschen die relation.

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