Donnerstag, 25. Januar 2007

aufgabe 9 :: Geschichte online

hp_geschichteonline
Aufbau von Geschichte online

Geschichte online – von den historischen Instituten der Universität Wien zusammen mit sechs deutschsprachigen KooperationspartnerInnen 2002-04 entwickelt – versucht Studierenden der Geschichte eine grundlegende Einführung ins wissenschaftliche Arbeiten, in die Literatur- und Informationsrecherche, und zukünftigen Lehrenden in die Geschichtsvermittlung zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus beschäftigt sich eines der vier (Lern)module mit der Einsetzbarkeit des datenbankbasierten Hypertextcreator in Lehrveranstaltungen und Webprojekten. Jedes Modul ist in kurze Unterpunkte aufgegliedert, die ersten drei beinhalten Übungen, Literatur- und Linkkataloge, sowie die Möglichkeit, die Lehreinheit als PDF herunterzuladen.

Das Modul 1- Wissenschaftliches Arbeiten definiert zuallererst sein Gebiet (was und was nicht darf als wissenschaftlich angesehen werden; wie zeichnen sich wissenschaftliche Textformen aus?) um dann zur Themenfindung, der notwendigen Begriffsdefinition und Hypothesenbildung überzugehen. Die BesucherInnen werden in die Kriterien für Rezensionen, Abstracts und Annotationen (also ins Schreiben über wissenschaftliche Texte) eingeführt, sowie in die Techniken des Lesens und Dokumentierens (richtiges Exzerpieren, verfassen von Randglossen, Lesekarten, etc...). Auch dem Klassiker aller Einführungen – den Zitierregeln – ist ein relativ umfangreicher Abschnitt vorbehalten. Nach einer kurzen Vorstellung der Anforderungsprofile an die verschiedenen Formen universitärer schriftlicher Arbeiten widmet sich die Seite der richtigen Vorbereitung und Ausführung einer mündlichen Präsentation (Aufbau des Referats, Hilfestellungen für einen reibungslosen Ablauf) und endet etwas unvermutet in den ersten Schritten zum Kurret-Lesen, die sich vielleicht nicht unbedingt harmonisch ins Modul einpassen – nichts desto trotz aber eine wichtige Arbeitstechnik der HistoriklerInnen darstellen.

Das Modul 2 – Literatur- und Informationsrecherche stellt den Suchprozess nach Primärquellen und Sekundärliteratur vor. Die erste Untereinheit beleuchtet verschiedene Möglichkeiten, Literatur zu einem bestimmten Thema zu finden (Bibliotheksbenützung, Datenbanken zur Erfassung von Zeitschriftenartikeln, Spezialdatenbanken, Internetrecherche), die zweite Untereinheit beschäftigt sich – etwas theoretischer – mit Fragen der Quellenkritik, leistet eine kurze Einführung in das Arbeiten mit Quellen, die Suche nach Ausstellungsprojekten und weist auf die Möglichkeit der Nutzung wissenschaftlicher Netzwerke hin.

Das Modul 3 – Geschichtsdidaktik richtet sich an zukünftige LehrerInnen. Der umfangreiche theoretische Teil verhandelt die institutionellen Grundlagen der Lehre (Schulrecht, Lehrpläne, Ziele der Bildungspolitik), verortet den Geschichtsunterricht in seinem gesellschaftlichen Rahmen, gibt eine Einführung in die Geschichte des Bildungswesens und setzt sich mit den verschiedenen (aktuellen) Theorien der Fachdidaktik auseinander. Danach folgt eine praxisorientierte Einheit zur Unterrichtsgestaltung (Hilfestellungen zur Methodenwahl, Zeiteinteilung, Planung ...) sowie ein noch konkreterer Abschnitt zum Umgang mit filmischen Quellen. (Unter welchen Kriterien ist ein Film zu betrachten? Welche kritischen Fragestellungen sind möglich?). Schließlich werden noch nationale wie internationale Netzwerke zur Geschichtsdidaktik vorgestellt, die Ausbildungsstrukturen anderer europäischer Länder beleuchtet und eine Reihe von AnsprechpartnerInnen vorgestellt.
Meiner Meinung nach stellt das Modul 3 den weitaus spannendsten Bereich von Geschichte online dar. Auch für Studierende, die sich per se nicht mit Fragen der Didaktik auseinandersetzen müssen, ist es ein gut gelungenes Beispiel der Verbindung von Theorie und Praxis, der Rückbindung von methodologischen Ansätzen an den jeweiligen gesellschaftlichen Bezugsrahmen. Es regt zur Reflexion der eigenen Rolle als Lehrende innerhalb eines Beziehungsgeflechts verschiedenster Interessen an – was gibt es besseres?

Das (am wenigsten umfangreiche) Modul 4 – Hypertextcreator – behandelt prägnant die (in dieser LV mittlerweile bekannten) Vorteile dieser Art der medialen Aufbereitung und beschränkt sich ansonsten auf die Vorstellung bereits verwirklichter Prototypen (und jener, die an deren Verwirklichung beteiligt waren).

Einheit Zitat, Zitierregeln, Anmerkungen:
Als weitere perfide Rache des Schicksals an meinem fast schon seniorInnenstudentischen Dasein - das Protokoll meiner mindestens achten Heranführung an die Zitierregeln: Dass das Wort ‚ZitierREGELN’ ein Euphemismus ist, erkennen die meisten Studierenden im ersten Semester, wenn sie mit den mannigfaltigen Möglichkeiten diverser Zitiersysteme konfrontiert werden. Dieser Erkenntnis wird auch durch das Untermodul im Abschnitt ‚wissenschaftliches Arbeiten’ Vorschub geleistet, indem es eine Reihe von Zitiervarianten vorstellt (dankenswerter weise auch das standardisiertere anglo-amerikanische System), die Übungen dann gezwungenermaßen aber den Regeln der Österreichischen Zeitschrift für Geschichtswissenschaft anpasst. Letztendlich geht es jedoch um die Kohärenz der Anwendung, die Nachprüfbarkeit und korrekte Ausführung – Punkte, auf die auch im Modul wiederholt hingewiesen wird. Zusammen mit den allgegenwärtigen Warnungen, Zitate nicht an Stelle eigener Argumentationen zu verwenden und den Hinweisen, wie Anmerkungen am sinnvollsten einzusetzen sind, liefert Geschichte online eine gute, wenn auch etwas zeitintensive und teilweise (vor allem in den drag- and drop-basierten Übungen) zähe Einführung ins korrekte Zitieren.
Die externe Einheit zu Fragen des Plagiats scheint eher ein Hilfsmittel für Lehrende denn für Studierende zu sein und fokussiert vielleicht ein wenig zu sehr auf den detektivischen Akt des Auffindens und zu wenig auf den übergeordneten Aspekt der Ursachenforschung.
Prinzipiell eignen sich gerade starre und mechanistische Fertigkeiten wie die Zitation besonders gut für interaktive Übungseinheiten – hier ist das Verhältnis von Aufwand und Nutzen ausgeglichener, als etwa bei der eher mehrwertlosen Übung zur Thesenfindung. Gewisse Aspekte sind meiner Ansicht nach nicht adäquat allein durch eine Interaktion mit computergestützten Lernsystemen vermittelbar – aber das hat wohl auch niemand behauptet.

aufgabe 8 :: geschichte im netz

Textzusammenfassung und -kritik
Wolfgang Schmale, Geschichte im Netz – Praxis, Chancen, Visionen

Ausgehend von der Praxis geschichtswissenschaftlicher Forschung im Netz setzt sich der Text in weiterer Folge mit deren Chancen und Visionen auseinander. Gegen die hypothetische Negativfolie Verluste und Untergang gesetzt, dominiert der positive Zugang, das Aufdecken von Möglichkeiten, die vom Medium mitindizierte begrüßenswerte Veränderung der Herangehensweise an Historie.

Praxis: Im Moment scheinen noch ein Großteil der im Internet zugänglichen, im weitesten Sinne historischen Seiten Produkte interessierter Laien zu sein – keinesfalls sind diese generell als minderwertig zu belächeln – dennoch ist eine kritische Herangehensweise von Nöten – nicht nur in Bezug auf offen rechtsextreme Seiten, sondern auch auf eine Reihe anderer Ressourcen, die zwar scheinbar objektive Primärquellen zur Verfügung stellen, diese jedoch keiner akkuraten Quellenkritik, Einordnung und Hinterfragung unterziehen. (Computerspiele, ‚Internetauftritte’ zu offiziellen Feier/Gedenktagen …)
Ebenfalls zur Praxis zählt der Prozess der Systemmodifikation – ein Prozess der in beide Richtungen (die Geschichte im Netzt modifiziert die Geschichte als institutionalisierte, auf dem gedruckten Wort basierende Wissenschaft und vice versa) abläuft. Diese Remediation nimmt bestimmte Formen an:
  • proto-hypertextuelle Techniken werden von Büchern übernommen, die damit vom bekannten linearen Textformat abrücken.
  • andererseits wirkt die klassische Geschichtserzählung auf viele Internetauftritte, die meist nicht mehr als die Publikation diverser Texte darstellen.
  • Das vom Medium verlangte kürzere, modulierte, an den Enden offene, auf verschiedenste Weisen verknüpfbare Schreibformat wird zu einem Ideal, dem auch manch ‚klassische’ Texte zu folgen versuchen.
  • Die vom Netz forcierte Schnelllebigkeit der wissenschaftlichen Veröffentlichungen führt zu einem neuen Blick auf Wissensproduktion. Ergebnisse werden mehr und mehr als jederzeit wieder veränderbarer Diskussionsstand begriffen – Prozesse werden offener, das Ziel der großen Meistererzählung immer weniger erstrebenswert. Für KritikerInnen die Ursache immer unausgereifterer Argumente, die einer Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden, ist das Netz für BefürworterInnen Mittel, um zu einem demokratischerem Umgang mit Geschichts(darstellung) zu finden.
Prinzipiell lässt sich dennoch die Tendenz beobachten die selben Inhalte in beiden Medien zu veröffentlichen, da sie zwar aufeinander angewiesen sind, gleichzeitig aber ganz spezifische, nur ihnen eigene Qualitäten aufweisen.

Chancen beziehen sich auf die Wandlungen, die das institutionalisierte Wissenschaftssystem durch das Aufkommen des Internets durchläuft.
  • Die Beschleunigung der Kommunikation und Rezeption führt in vielen Fällen zu der bereits erwähnten unwissenschaftlichen Datenaufbereitung, die für viele HistorikerInnen einen mehr als vorsichtigen Zugang zum neuen Medium nach sich gezogen hat. Noch ist Veröffentlichen im Internet zu keiner vollends respektablen Handlung geworden, noch passieren die wichtigsten Forschungsanstöße nicht im Netz.
  • Historische Seiten haben zumindest potentiell die Möglichkeit, Wissen an einen größeren Teil der Bevölkerung zu vermitteln, als die traditionelle (universitäre) Forschung. Auch wenn sich die RezipientInnengruppen im Moment nicht unterscheiden, besteht die Chance, von breiteren Schichten wahrgenommen zu werden und größeren gesellschaftlichen Einfluss auszuüben. Gleichzeitig resultiert daraus die Anpassung der Forschungsthemen an Fragen der Relevanz und Verwertbarkeit.
  • Die vom Netz geförderte Multimedialität (als nicht zwingend notwendiges, aber mehr als kompatibles feature) entspricht den Entwicklungstendenzen der Geschichtswissenschaft der letzten 25 Jahre (cultural studies, Film- und Bildwissenschaft etc.). Insofern ist das neue Medium hier also nicht Ursache der Veränderung – es erweitert aber sehr wohl den Blick auf multimediale Quellen und fördert die Entwicklung in Richtung einer interdisziplinären Kulturwissenschaft.
  • Auch das E-Learning (mit den Effekten: Förderung der Kommunikation, Eigenverantwortung, schnelles Aufeinander-Reagieren, Freude an der Wissenschaftsproduktion, breiterer Zugang) bildet sich erst langsam heraus und firmiert damit unter Chancen.
  • Die modulare, damit team-kompatible Struktur des Internets bzw. der internetspezifischen Texte führt zu einer Forschungslandschaft, in der die ‚großen EinzelwissenschafterInnen’ an Bedeutung verlieren – dies resultiert in einem Demokratisierungsprozess, in dessen Verlauf dynamischer und korporativer gearbeitet wird. (Stichwort Content Management Systeme).
Visionen: Trotz seines Charakters als fundamentale Medienrevolution entwickelt sich das Netz als kulturelles Phänomen verhältnismäßig langsam. Wird Kultur als Code begriffen, stellt es einen Subcode dar, „der bestimmte Transformationen codiert“. Seine Attribute Hybridität, Fluität und Hypertextualität entsprechen den Gesellschaftsformen urbaner Zentren (etwa der Auflösung hergebrachter Wertvorstellungen), die jedoch auch die Peripherie verändern. Optimistisch betrachtet treten an Stelle alter essentialistischer Modelle, neuere, offenere Konstellationen, die nicht mit Amoralität oder – poetischer – Verlorenheit gleichzusetzen sind.
Die Gesellschaft verändert sich, und damit auch die Methoden der Geschichtswissenschaft und unser Blick auf die Vergangenheit.

Fazit: Viele der angesprochenen Fragestellungen wurden in der einen oder anderen Weise im Laufe der LV bereits tangiert und kommentiert (wie offen ist Hypertext wirklich? Wie demokratisch ist der Zugang zur Ressource Internet wirklich?). Als wichtig empfand ich den Versuch einer gesellschaftlichen Rückbindung des Phänomens, den v.a. der letzte Teil des Textes unternimmt. (Wer sind die RezipientInnen? Auf welche Weise werden Fakten präsentiert? Wer könnte Interesse an einem unkritischen Kult des Faktischen haben? Ausdruck welcher Transformationsprozesse ist das Netz? ...) Auch die Auseinandersetzung mit der (wenn von mir richtig verstandenen) dialektischen Verbindung zwischen den verschiedenen Medien, bzw. „Internet“ und „Gesellschaft“ ist eine wichtige Erweiterung des bisher Gelesenen.
Vielleicht nur sprachlich problematisch erscheint mir die für die Zunkunft prognostizierte Modifikation der Forschungsthemen, ausgerichtet an „Relevanz“ und „Anwendbarkeit“. Zu wenig definiert bleiben beide Worte – wer bestimmt gesellschaftliche Relevanz? Jene, die am internetbasierten Prozess der Wissensbildung teilhaben können? Der BesucherInnencounter der Website? Die Provider der Sponsor-Banner?
Was ist anwendbare Forschung? Im positiven Sinne, Forschung, die mit jetzigen gesellschaftlichen Bedingungen in Zusammenhang steht? Ergebnisse, die die Handlungsperspektive gewisser Gruppen erweitern? Welcher Gruppen?
Agieren im Internet ist eben keine herrschaftsfreie Aktion – das Netz mag ein fließendes, sehr reaktionsfreudiges Medium sein, wenn jedoch nicht jeder mit den selben Voraussetzungen an ihm teilhaben kann, wird sich auch kein vollends offener Prozess entwickeln.
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